Absetzer 756 überquert die A61
Wer im Rheinischen Braunkohlerevier wohnt, ist es gewohnt, dass nicht nur Straßen, sondern hin und wieder auch ganze Dörfer verschwinden. Erst in jüngerer Vergangenheit haben die massiven Proteste dazu geführt, dass diese Tatsache auch bundesweit wahrgenommen wurde. In meiner pastoralen Arbeit habe ich Menschen kennengelernt, die wegen des Braunkohletagebaus sogar zweimal umgesiedelt wurden, hin und wieder auch inclusive der Gräber der Angehörigen. Je nach Wind- und Wetterlage gehören auch (Fein)Staub, der sich gefühlt von keiner Fensterdichtung aufhalten lässt, und allerlei seltsame Geräusche zu jeder Tag- und Nachtzeit dazu.
Abhängig davon, ob man einen RWE-Angehörigen (oder dessen Angehörige) oder einen eifrigen Gegner dieses Konzerns und seines Geschäftsgebarens befragt, handelt es sich um einen der größten Umweltverschmutzer überhaupt oder um einen Vorreiter in Sachen Umweltschutz und Sicherung des Industriestandortes Deutschland. Wie dem auch sein, zur Förderung von aktuell ca. 28 Millionen Tonnen Braunkohle jährlich (bzw. 80.000 Tonnen täglich) und dem Bewegen der ca. 7fachen Menge an sogenanntem Abraum, braucht es technische Geräte, die Meisterleistungen der Ingenieurskunst sind (Faszination), zugleich aber auch Zeichen eines unverantwortlichen Raubbaus an der Natur sind (Schrecken).
Am 30. August 2009 war solch ein Tag, an dem Faszination und Schrechen eng beieinander lagen, als Absetzer 756 auf seiner Reise in den Tagebau Hambach sowohl die Erft als auch die A61 überquerte, sowohl Fluss als auch die ca. 8 Meter unterhalb des Geländeniveaus verlaufende A61 wurden dafür kurzerhand umgeleitet oder zugeschüttet: Wer kann, der kann! Bei allen Vorbehalten dieser umweltzerstörenden Form der Energiegewinnung gegenüber, die angesichts aktueller Entwicklungen und Alternativen aus meiner Sicht jede Berechtigung verloren hat, ist es doch faszinierend, wenn sich solch ein gigantisches Ungetüm rasselnd und quietschend seinen Weg bahnt.